U-Nationalmannschaftsspiele für die Schweiz, internationale Spiele mit dem FC Vaduz und erstes Länderspiel für Mosambik, jetzt vereinslos. Warum Gion Fadri Chande dank seines Plan B trotzdem glücklich ist.
St. Gallen, Basel, Grasshopper Club Zürich und Wil: Gion Fadri Chande hat bereits bei großen Clubs im Schweizer Fußball gespielt. In den Schweizer U-Nationalmannschaften von der U 15 bis zur U 20 durfte er sich ebenfalls zeigen. Im Jahr 2023 feierte er sein Debüt in der Nationalmannschaft von Mosambik, dem Heimatland seines Vaters. Es ist der Höhepunkt seiner bisherigen Karriere. Nach vier Jahren beim FC Vaduz in Liechtenstein und einem kurzen Engagement beim FC Wil ist der sympathische junge Schweizer mit mosambikanischen Wurzeln seit Sommer 2024 vereinslos.
Früh einen Plan B in der Tasche
Eine Situation, mit der Gion Fadri sich bereits beschäftigt hat, als er noch mit dem FC Vaduz gegen internationale Gegner in der Conference League spielte. „Man weiß im Sport nie. Eine schwere Verletzung oder ein auslaufender Vertrag, die Unsicherheiten sind da. Da muss man vorsorgen. Aber auch abgesehen davon wollte ich einen Ausgleich zum Fußball-Alltag.“ Deshalb begann er parallel zum Fußball ein Bachelorstudium in Psychologie an der SRH Fernhochschule – The Mobile University. Das Studium schloss er im Sommer 2024 erfolgreich ab. „Sport, Psychologie und Pädagogik, das waren immer schon meine Themen. Diese Kombination fand ich im Fernstudium“, erinnert er sich. Aufgrund des straffen Trainings- und Spielplans als Profi kam kein Regelstudium in der Schweiz für ihn in Frage. „Im Fernstudium ließ sich das super unter einen Hut bringen“, erinnert sich der Torwart. Zusammen mit weiteren studierenden Spielern in Vaduz bildete er zwischen den Trainingseinheiten sogar eine Lerngruppe. Der akademische Erfolg stellte sich diesen Sommer in Form des Bachelorabschlusses ein. Gleichzeitig endete sein Vertrag beim FC Wil, wo er nach vier Jahren in Vaduz zuletzt spielte.
Von Frust und Ehrgeiz, wenn die Karriere stockt
Panik oder Druck aufgrund der Vereinslosigkeit verspürt er aktuell nicht. Wir treffen zum Interview auf einen gut gelaunten und sehr sympathischen jungen Mann. Dass die Fußball-Karriere ins Stocken geriet, sorgte bei ihm natürlich auch für Frust, ließ aber auch den Ehrgeiz weiter steigen. „Ich habe viele Jahre auf ein großes Ziel hingearbeitet. Habe mich stetig verbessert. Ich bin weiterhin der Meinung, dass ich die Fähigkeiten habe, die Nummer 1 im Tor einer Mannschaft zu sein. Aber irgendwann kommt natürlich auch das Gefühl auf, viel investiert zu haben, es aber dennoch nicht für den angestrebten Erfolg reicht. Das ist nicht einfach zu verdauen“, verdeutlicht der Torwart. Natürlich sei er auch mal frustriert gewesen, aber er habe gelernt, damit umzugehen, sagt der 26-Jährige. Er ist mit sich und seiner bisherigen Karriere im Reinen. Das spürt man.
Nationaltorhüter für Mosambik mit ausgeprägtem Sprachtalent
Stolz blickt er auf sein Debüt im Nationalteam von Mosambik zurück. Eine besondere Geschichte: Als plötzlich der Anruf kam, war Gion Fadri überrascht. Sein Vater stammt aus Mosambik. Er selbst ist in der Schweiz geboren. „Mir war sofort klar, dass ich mir das nicht entgehen lassen möchte“, erinnert er sich. Nachdem einige offene Fragen hinsichtlich seiner Vergangenheit in der Schweizer U-Mannschaften mit der FIFA geklärt waren, stand dem Abenteuer nichts mehr im Weg. Mit dabei: sein Fernstudium. Ob während der Wartezeit am Flughafen oder im Flugzeug von der Schweiz nach Äthiopien und weiter bis in den Senegal – Gion Fadri nutzte die freie Zeit, um im Studium voranzukommen.
„Dann stand ich vor der größten Erfahrung meiner Karriere“, erinnert sich Gion Fadri. „Hier kennt mich kaum jemand. In Mosambik wurde ich ständig auf der Straße erkannt“, erinnert er sich. Ein Auswärtsspiel der Nationalmannschaft im Senegal mit ihm im Tor - ein Stadion mit frenetisch jubelnden Fans. „Das war das lauteste Stadion, das ich je erlebt habe.“ Sowieso war das Thema Kommunikation nicht immer einfach. Neben Portugiesisch als Amtssprache in Mosambik wurde im Team ein Mix aus einheimischen Sprachen und Englisch gesprochen. Kein Problem für Chande, der neben Schweizerdeutsch, Deutsch und Englisch auch Italienisch, Spanisch, Französisch und Portugiesisch spricht.
Der Fußball-Traum ist weiter vorhanden, aber es gibt Alternativen
Natürlich lebe der Traum von weiteren Jahren auf der Fußballbühne weiter. Immer wieder blitzt es in seinen Augen, wenn wir über die Nationalmannschaft oder seine bisherigen Stationen sprechen. Aber inzwischen mit der nötigen Distanz. Es gebe immer wieder Gespräche und Anfragen. Nachdem er im Sommer intensiv auf Clubsuche war, hat er sich jetzt anders orientiert. „Wenn noch mal ein interessantes Projekt kommt, höre ich mir das an und beschäftige mich damit. Aber es muss passen. Mit meinem Bachelor habe ich jetzt einfach auch andere Möglichkeiten“, sagt der 26-Jährige.
Natürlich hätte er auch noch fußballerische Ambitionen: Ein anderes Land, eine andere Sprache, Fußballspielen in einer Stadt am Meer. „Träumen darf man. Wenn so etwas kommt und alles passt, dann mache ich das natürlich. Bis dahin trauere ich aber keinen verpassten Chancen hinterher“, verrät Gion Fadri mit einem Schmunzeln. Er hat eine alternative Passion gefunden. Die Fußball-Karriere ist nicht mehr der einzige Fokus. Der ganz große Druck ist raus. Stattdessen wächst die Begeisterung für seine neue Rolle. „Die Prioritäten haben sich mit dem Abschluss verändert. Ich habe etwas in der Hand, mit dem ich in der Arbeitswelt Fuß fassen kann und nicht mehr 100 Prozent vom Fußball abhängig bin. Am liebsten würde ich weiterhin professionell Fußball spielen, würde aber nicht mehr alles dem Fußball unterordnen.“
Kindern und Jugendlichen eine Perspektive bieten
Er möchte mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und jungen Menschen in ihrer Entwicklung helfen. Als Lehrer oder an der Schnittstelle zwischen Schule und Sport. Hierzu fährt er aktuell sogar dreigleisig: Er hält sich fit, falls ein neuer Verein anklopft. Er bildet sich nach seinem erfolgreichen Bachelor noch an einer pädagogischen Hochschule weiter. Und parallel dazu arbeitet er als Vertretungslehrer an einer Berufsfachschule an seinem Wohnort Chur. „Aktuell bin ich topfit und könnte sofort bei einem Club einsteigen, gleichzeitig schaue ich, dass ich auch beruflich Fuß fasse. Das passt momentan sehr gut“, ergänzt der Graubündner.
Das Beispiel zeigt: Ein Studium ist immer eine gute Alternative. Es kann den Horizont erweitern, Perspektiven schaffen und neue Türen öffnen. Für Gion Fadri ist Plan B zu einem gleichwertigen Plan A geworden. Wir drücken die Daumen, dass sowohl sportlich als auch beruflich weitere Glücksmomente hinzukommen und Gion Fadri Chande seinen Weg weiter so erfolgreich geht.
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