Senior:innen stehen vor anderen Herausforderungen als andere Altersgruppen. Doch welche Herausforderungen sind das? Und wie helfen Gerontopsycholog:innen älteren Menschen dabei, diese zu meistern?
Gerontopsychologie – Wie können wir Senior:innen bei den Herausforderungen des Alters helfen?
Mit dem demografischen Wandel gibt es immer mehr Seniorinnen und Senioren in unserer Gesellschaft. Diese müssen mit ganz anderen Herausforderungen zurechtkommen als andere Altersgruppen.
Um alte Menschen zu begleiten und sie zu befähigen, ihr Leben bestmöglich zu gestalten, sind gerontopsychologische Kenntnisse nötig, welche im neuen Studiengang Angewandte Psychologie mit Schwerpunkt Gerontopsychologie (M.Sc.) an der SRH Fernhochschule erworben werden. Prof. Dr. Christian Helmrich, Studiengangsleiter dieses Studiengangs, geht mit uns der Frage nach, was es mit der Gerontopsychologie auf sich hat und wie Fachkräfte älteren Menschen beim Umgang mit ihren individuellen Herausforderungen helfen können.
Was ist Gerontopsychologie?
Die Gerontopsychologie beschäftigt sich mit dem Seelenleben alternder und älterer Menschen, also deren Denken, Fühlen, Wollen und Verhalten. Gerontopsycholog:innen erforschen also psychische Veränderungen auf der kognitiven und Verhaltensebene. Dabei nehmen sie auch Umwelteinflüsse in den Blick, die auf alte und alternde Menschen einwirken, die sich in positiven als auch negativen seelischen und gesundheitlichen Effekten und Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt zeigen können.
Welche Herausforderungen kommen aus psychologischer Sicht auf Seniorinnen und Senioren zu?
Die offensichtlichsten Veränderungen des Alterns sind die körperlichen, direkt sichtbaren Veränderungen. „Daneben kommt es auch zu seelischen Veränderungen, mitunter durch sinnes- und hirnorganische Veränderungen, etwa beim Gedächtnis, beim Lernen oder in der Intelligenz,“ erklärt Prof. Dr. Helmrich. In manchen Teilbereichen kommt es zu einem Anstieg mit zunehmendem Alter, in anderen Teilbereichen sinken die Fähigkeiten.
Weitere Herausforderungen im Alter sind zunehmende Verlusterlebnisse und andere Stressoren. Allein schon der Renteneintritt kann herausfordernd sein, wenn zuvor nicht neue Ziele und Aufgaben für diese Phase gesetzt und eine neue Basis für das eigene Wohlbefinden geschaffen wurden.
Einsamkeit ist eine enorme Herausforderung im Alter
Hinzu kommen Verwitwung oder Trennung im höheren Alter sowie die zunehmende Reduktion des Bekannten- und Verwandtenkreises. Einsamkeit ist eine schwerwiegende Herausforderung, wie Prof. Dr. Helmrich deutlich macht: „Ergebnisse der Hirnforschungweisen darauf hin, dass Einsamkeit dieselben Bereiche des Gehirns aktiviert wie körperlicher Schmerz.“
Und nicht zuletzt spielen auch psychische Störungen und Demenzen eine immense Rolle: Jeder Vierte über 65-Jährige erkrankt im Laufe der Jahre an einer psychischen Störung. „Auch sehen wir eine deutlich erhöhte Suizidrate im Alter, insbesondere bei Männern.,“ so Prof. Dr. Helmrich. „Negativen Veränderungen und Belastungsfaktoren können wir in gewissen Grenzen allerdings präventiv und kurativ begegnen, weshalb wir mehr gerontopsychologische Fachkräfte benötigen, um ein möglichst gesundes Altern zu ermöglichen.“
Wie können wir betagten Menschen beim Umgang mit diesen Herausforderungen helfen?
Je nachdem, wie es dem Menschen geht und was er bereits erlebt hat, stehen verschiedene gerontopsychologische Techniken und handlungsleitende Alterstheorien zur Verfügung. Aus der anfänglichen Diagnostik werden geeignete Maßnahmen abgeleitet. Neben dem objektiven, eher technisch anmutenden Vorgehen in der Diagnostik muss die beratende Person ihr Gegenüber auch auf der menschlichen Ebene verstehen.
Die gerontopsychologischen Maßnahmen hängen etwa davon ab, ob Menschen im Alter ein positives oder negatives Altersstereotyp haben – ob also eher Lebensfreude oder Verbitterung vorherrschen. Im Beratungsprozess werden mögliche negative Selbst- und Fremdbilder hinterfragt und umgewandelt. „Ziel ist es, dass der ältere Mensch erkennt, welchen Spielraum er sowohl körperlich als auch seelisch hat. Es kann die Sinnfrage geklärt und neue realistische Ziele gefunden werden,“ so Prof. Dr. Helmrich. „Wenn die Gebrechlichkeit zu weit vorangeschritten ist, werden Helfersysteme und wohlwollende Angehörige einbezogen. Denn gerade im Alter spielt die soziale Einbindung eine große Rolle.“
Gerontopsychologie verleiht dem Alter mehr Qualität
Gerontopsycholog:innen helfen also, dem letzten Lebensabschnitt Qualität im Rahmen des Möglichen zu geben und Raum für Trauer und Abschiednehmen zu schaffen. Sie helfen, Tätigkeiten zu finden, die den Selbstwert der Senior:innen stabilisieren und Wohlbefinden hervorrufen können. Dazu kann etwa Biographiearbeit zählen oder gemeinsames Musizieren, Handarbeit, Gesellschaftsspiele oder der Einbezug von Tieren.
Und für die „jungen Alten“ gilt es, sich bereits vor dem 65. Lebensjahr oder dem Renteneintritt Gedanken zu machen für den neuen Lebensabschnitt, um diesen Übergang vorzubereiten. Dazu zählt:
- Neue realistische Ziele setzen
- Aufgaben finden und die Sinnfrage klären
- Selbstwirksamkeit und Optimismus stärken
- Der biopsychosozialen Abwärtsspirale aktiv und ausdauernd entgegenwirken
Fazit
Es gibt 90- oder 100-jährige Freizeitsportler:innen, die noch an (Senioren-)Wettkämpfen teilnehmen, Musiker:innen, die bis ins hohe Alter unterrichten, oder Ärzt:innen, die noch im Alter von 93 Jahren in ihrer Praxis stehen.
„Dies alles bedarf aber entsprechender Vorbereitungen, einer entsprechenden Motivation, Zuversicht und Hoffnung, Selbstwirksamkeitserwartung, und es ist eine Einstellungsfrage,“ sagt Prof. Dr. Helmrich. „Kerngebiete der psychologischen Disziplin also. Gerontopsycholog:innen haben hierbei den Fokus auf den alternden Menschen, der ab dem 65. Lebensjahre eben nicht im Lehnstuhl sitzen muss, sondern bis ins hohe Alter mit neu gefundenen Zielen und sinnvollem Dasein am Leben aktiv teilhaben kann.“
Marketing & Sales
Prof. Dr. Christian Helmrich ist Professor für Psychologie sowie Studiengangsleiter für Angewandte Psychologie mit Schwerpunkt Gerontopsychologie (M.Sc.) an der SRH Fernhochschule - The Mobile University.
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