Social Media gehört für die meisten Unternehmen inzwischen fest zum Marketing- und Kommunikationsmix dazu. Prof. Dr. Hermanni gibt einen Überblick, weshalb das so ist und welche Herausforderungen sich dabei ergeben.
Das Kommunikationsverhalten von Unternehmen hat sich mit der Einführung des Internets gravierend verändert. Inzwischen unterhalten 77 Prozent der Unternehmen mindestens einen Account bzw. ein Profil in einem sozialen Netzwerk, im Schnitt ist jedes Unternehmen bei vier Plattformen registriert. Auffällig ist, dass mit 97 Prozent fast alle Unternehmen ab 500 Beschäftigten dort vertreten sind. Xing und Facebook sind dabei die meistgenutzten Netzwerke, fast jedes zweite Unternehmen (48 Prozent) ist hier präsent. Dahinter folgen YouTube (40 Prozent) und LinkedIn (39 Prozent). Instagram nutzt ebenfalls mehr als ein Drittel der Unternehmen (38 Prozent).
Weshalb der Einsatz sozialer Medien für Unternehmen attraktiv ist
Spätestens mit dem Aufschwung der sozialen Medien in den 1990er-Jahren erkannten immer mehr Unternehmen die vielfältigen Chancen, Social Media als elementares Kommunikationsinstrument zu nutzen. Die einfache Verbreitung von Informationen an eine große Anzahl von Menschen und die Möglichkeit, Beziehungen zu knüpfen und zu pflegen, sind grundlegende Eigenschaften der sozialen Plattformen. Zu den Motiven der Unternehmen zählt die Steigerung der Marken- und Produktbekanntheit sowie der Aufbau einer positiven Reputation in den sozialen Medien. Darüber hinaus kann durch stimmigen User-Generated Content Einfluss auf die Meinungsbildung der Menschen genommen werden.
Der direkte Draht zur Zielgruppe
Durch das Social Web ist die Kommunikation interaktiver, schneller und globaler geworden. Überhaupt stellen die Echtzeitkommunikation und der direkte Kontakt einen Grund für die zunehmende Präsenz von Unternehmen in den sozialen Medien dar. Dort können Organisationen auch unmittelbar auf Kritik oder Feedback antworten, die sie ohne soziale Medien möglicherweise nicht wahrgenommen hätten.
Außerdem erhalten sie einen Zugang zu potenziellen Kund:innen und können im Zuge eines Online-Recruitings potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf sich aufmerksam machen. Vor allem die besonders werberelevante Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen nutzt die sozialen Medien mindestens einmal pro Woche. Für viele jüngere Menschen ist das Internet oft die Hauptquelle für Informationen und wurde zu einem integralen Bestandteil des täglichen Lebens. Beim „War for Talents“ kann die Vernetzung auf Jobportalen eine entscheidende Rolle bei der Anwerbung der besten Nachwuchskräfte spielen.
Soziale Medien erlauben den Aufbau einer Community
Im Übrigen verfolgen viele Unternehmen mit Kundenservice und Vertrieb operative Ziele. Idealerweise streben Unternehmen ein erfolgreiches Community-Building an, um ihre Zielgruppen an die Organisation zu binden. Dabei werden (potenzielle) Kund:innen aktiv eingeladen, Ideen oder Meinungen zu Produkten und Marken zu äußern. Die Unternehmen erfassen auch die persönlichen Daten der Kund:innen, um sie jederzeit kontaktieren zu können. Kontinuierliche Aufrufe, Fragerunden oder Aktionen (Challenges) sind beliebte Methoden, um die Community lebendig zu halten und den Kund:innen einen Mehrwert zu bieten.
Zudem beobachten Unternehmen über die Netzwerke ihre Wettbewerber und versuchen den Kontakt zu Multiplikatoren wie Journalist:innen und Influencern aufzubauen und zu pflegen. Zusätzlich spricht für den Einsatz sozialer Medien, dass die Verbreitung von Botschaften durch Online-Kampagnen deutlich kostengünstiger geworden ist im Vergleich zu Zeiten, in denen Printmedien und lineares Fernsehen die Werbelandschaft beherrschten.
Herausforderungen sozialer Medien
Bei der Betrachtung der Kommunikationsarbeit von Unternehmen, soziale Beziehungen zu knüpfen, muss auch berücksichtigt werden, dass sich folgende Schwierigkeiten ergeben können:
- Soziale Medien schaffen eine bedenkliche Halböffentlichkeit im Internet, die mit Informationen überschwemmt wird. Das heißt, dass Informationen zwar für eine große Öffentlichkeit abrufbar sind, aber nicht unbedingt von allen Nutzer:innen wahrgenommen werden. So werden bestimmte Inhalte in spezifischen Gruppen oder auf diversen Plattformen angeboten, die nicht für die gesamte Öffentlichkeit verfügbar sind.
- Sogenannte Filterblasen bei der Informationsverbreitung können dazu führen, dass Nutzer:innen nur bestimmte Perspektiven und Meinungen aufnehmen, was zu einer einseitigen Wahrnehmung der Realität führen kann. Innerhalb dieser polarisierenden Filterblasen können auch bestimmte Informationen vorenthalten werden. Hinzu kommt, dass Filterblasen für viele Personen nicht offensichtlich sind oder nicht hinterfragt werden.
- In isolierten sozialen Räumen im Netz, auch bekannt als Echokammern, teilen Menschen die gleichen Einstellungen und Meinungen. Wenn sich diese Gruppe in einer koordinierten Aktion gegen ein Unternehmen richtet, kann dies zu einem Imageschaden führen.
- Neben der Verbreitung von Falschinformationen (Fake News) treten innerhalb der sozialen Medien vermehrt Hassreden (auch Hate Speech genannt) und Cybermobbing auf, da jede Person anonym Beiträge mit beleidigenden und belästigenden Inhalten veröffentlichen kann. Dabei sind der Jugendschutz und das Medienrecht zielführende Ansätze, die juristische Teilbereiche des öffentlichen Rechts, des Zivilrechts und des Strafrechts berücksichtigen. Aber ebenso sind Sicherheitsvorkehrungen für das jeweilige Online-Profil (u.a. Instagram Parents Guide, 2019) und eine umfassende Aufklärung zum individuellen Datenschutz, etwa zur EU-Datenschutzrichtlinie, vonnöten.
Angesichts dieser Erkenntnisse kann man zu dem Schluss kommen, dass die Einflussnahme durch Informationen und Interaktionen innerhalb der sozialen Medien zunehmend durch den unternehmerischen Einfluss gekennzeichnet ist. Dabei ist das primäre Ziel, die Glaubwürdigkeit von Marken und Produkten zu steigern und die Kaufentscheidung zu forcieren.
Soziale Medien haben eine große Reichweite
Wenn Unternehmen keine sozialen Medien nutzen, kann es heutzutage schwierig sein, die Bekanntheit zu steigern, eine positive Reputation aufzubauen und relevante Informationen zu verbreiten. Andere Kommunikationskanäle wie Fernsehen oder Printmedien werden nicht so viele Menschen erreichen können (insbesondere junge Zielgruppen).
Die überproportionale Nutzung sozialer Medien oder ein einseitiger Informationszugang kann zu einer eingeschränkten Wahrnehmung der Realität durch die User führen. Umso wichtiger erscheint, dass insbesondere junge Menschen mehr Medienkompetenz erlangen, um Gefahren und Risiken im Netz identifizieren, vertrauenswürdige Informationen von Falschinformationen unterscheiden und Inhalte kritisch hinterfragen zu können.
Referenzen
- Bitkom Research (22.12.2023). Drei Viertel der Unternehmen nutzen soziale Medien. www.bitkom-research.de/news/drei-viertel-der-unternehmen-nutzen-soziale-medien
- Vgl. ARD/ZDF-Onlinestudie 2023 und einer repräsentativen Befragung von Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom
Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni
ist Professor für Medien- und Kommunikationsmanagement an der SRH Fernhochschule - The Mobile University.