SRH Fernhochschule - The Mobile University
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Digitale Entscheidungsarchitekturen und Nudging – Manipulation oder ein Weg zu einer besseren Welt?

Wir treffen täglich tausende Entscheidungen. Doch was steckt psychologisch dahinter? Und wie beeinflusst Nudging unsere Entscheidungen im digitalen Raum?

Jeden Tag treffen wir tausende Entscheidungen. Welches Essen wir im Restaurant bestellen, ob wir heute zum Sport gehen oder welche neuen Schuhe wir im Online-Shop bestellen wollen. All dies sind Entscheidungen und doch sind sie an sich bereits unglaublich unterschiedlich. Daniel Klein ist Fachdozent für Psychologie an der SRH Fernhochschule – The Mobile University und Experte für Entscheidungspsychologie. Mit ihm sehen wir uns an, was psychologisch hinter Entscheidungen steht und wodurch diese im digitalen Raum beeinflusst werden können.

Wie treffen wir Entscheidungen aus psychologischer Sicht?

„Aus psychologischer Perspektive ist der Entscheidungs­prozess eine komplexe Mischung aus kognitiven und emotionalen Elementen,“ sagt Klein. Kognitive Prozesse (wie logisches Denken und das Abrufen von Erinnerungen) interagieren mit emotionalen Reaktionen und Gefühlen. Diese Kombination führt oft zu mentalen Abkürzungen, sogenannten Heuristiken, welche robuste Entscheidungen anhand weniger Informationen zulassen.

„Solche Heuristiken ermöglichen schnelle Entscheidungen. Sie können aber auch systematische Verzerrungen verursachen, da sie unsere Fähigkeit, alle verfügbaren Informationen objektiv zu bewerten, einschränken,“ führt Klein aus. In solchen Fällen weichen die Entscheidungen also durch vereinfachte Denkprozesse von rationalen Urteilen ab.

Beispiele für Heuristiken

Ein bekanntes Beispiel für solche Heuristiken oder Entscheidungs­verzerrungen ist der Bestätigungsfehler, bei dem Menschen dazu neigen, Informationen zu bevorzugen, die ihre bestehenden Überzeugungen stützen. Ein weiteres Beispiel ist der Verfügbarkeitsfehler, bei dem Entscheidungen auf Basis sofort verfügbarer Informationen getroffen werden. Diese Verzerrungen sind Ergebnisse unserer Versuche, komplexe Informationen schnell und effizient zu verarbeiten.

Die Architektur für Entscheidungen

Situationen, in denen Entscheidungen getroffen werden, weisen bestimmte Merkmale auf. Die Gestaltung dieser Situationen nennt man Entscheidungsarchitektur. Sie umfasst die Präsentation von Optionen und Informationen und beeinflusst, wie Entscheidungen formuliert und wahrgenommen werden. In Bereichen wie der Politik, Wirtschaft und Technologie wird diese Architektur bewusst gestaltet, um bestimmte Entscheidungswege zu fördern. Sie spielt eine zentrale Rolle in der Lenkung des Nutzerverhaltens und kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben.

Digitales Nudging – Der Stups in die richtige Richtung

Auf der Entscheidungs­architektur basiert auch das Konzept des Nudgings. „Nudging (zu Deutsch: ‚Anstupsen‘) ist eine Technik, die Menschen subtil zu bestimmten Entscheidungen bewegt, ohne ihre Wahlfreiheit einzuschränken,“ erklärt der Fachdozent. Richard H. Thaler erhielt 2017 den Nobelpreis für Wirtschafts­wissenschaften, mit dem er für sein Nudging-Konzept sowie seine Beiträge zur Verhaltensökonomie ausgezeichnet wurde.

Klein führt aus: „Im digitalen Raum äußert sich Nudging durch Design­elemente wie Benachrichtigungen, Interface-Gestaltung und personalisierte Inhalte.“ Ein Beispiel hierfür ist eine App, die gesündere Lebensmittel­optionen hervorhebt, um eine gesunde Ernährung zu fördern. Solche Strategien nutzen psychologische Neigungen aus, um Nutzer:innen zu gesünderen oder produktiveren Entscheidungen zu bewegen.

Ethische Herausforderungen von Nudging

Nudging in digitalen Entscheidungsarchitekturen bringt ethische Herausforderungen mit sich, insbesondere im Hinblick auf die Autonomie der Nutzer:innen. Während Nudging positive Verhaltensänderungen fördern kann, wie gesündere Lebensstile oder umweltbewusstes Handeln, ist es entscheidend, dass solche Strategien transparent, freiwillig und im besten Interesse der Nutzer:innen bleiben. Die Balance zwischen hilfreichem Nudging und Manipulation zu finden, ist eine zentrale ethische Herausforderung für Entwickler:innen, Unternehmen und Politik.

Digitales Nudging in der Anwendung

In der Praxis nutzen Unternehmen digitales Nudging, um das Verhalten ihrer Kunden (positiv) zu beeinflussen. Beispiele hierfür sind Online-Handelsplattformen, die umweltfreundliche Produkte hervorheben, oder Fitness-Apps, die Nutzer:innen durch Benachrichtigungen zur regelmäßigen Bewegung anregen. „Diese Anwendungen illustrieren, wie digitales Nudging genutzt werden kann, um Nutzerentscheidungen in einer Weise zu beeinflussen, die sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Vorteile bietet,“ so Klein.

Wie lässt sich also die Rolle von Nudging in digitalen Entscheidungsarchitekturen zusammenfassen?

Nudging spielt in digitalen Entscheidungs­architekturen eine zentrale Rolle als subtile, aber effektive Methode zur Beeinflussung des Nutzerverhaltens. Wenn es ethisch und verantwortungs­bewusst eingesetzt wird, hat Nudging das Potenzial, Entscheidungsprozesse positiv zu beeinflussen. Es kann helfen, gesündere, umweltfreundlichere und produktivere Entscheidungen zu fördern, ohne die Wahlfreiheit der Nutzer:innen einzuschränken.

Besonders im Kontext der digitalen Welt, wo Entscheidungen oft schnell und basierend auf begrenzten Informationen getroffen werden, bietet Nudging eine Möglichkeit, Nutzer:innen sanft in Richtung besserer Entscheidungen zu leiten. Das Fazit unseres Fachdozenten: „Die Herausforderung liegt darin, dieses Werkzeug so zu nutzen, dass es sowohl dem Einzelnen als auch der Gesellschaft zugutekommt, ohne dabei die Grenze zur Manipulation zu überschreiten.“

 

Mehr Informationen zu Entscheidungen im digitalen Raum finden Sie im Sammelband „Psychologie Digital: Chancen und Risiken der Digitalisierung in der angewandten Psychologie“. Studierende der SRH Fernhochschule können das Buch über SpringerLink kostenlos herunterladen.

SRH Fernhochschule | Daniel Klein

Daniel Klein ist Fachdozent für Psychologie an der SRH Fernhochschule - The Mobile University.

Die Herausforderung liegt darin, Nudging so zu nutzen, dass es sowohl dem Einzelnen als auch der Gesellschaft zugutekommt, ohne dabei die Grenze zur Manipulation zu überschreiten.
Daniel Klein

Literatur

Thaler, R. H. & Sunstein, C. R. (2008). Nudge: Improving Decisions About Health, Wealth, and Happiness. Yale University Press. ISBN-13: 978-0300122237